“Prva dama“ auf der Spur

    Von Max Tenschert Von Slowenien ins Weiße Haus – Melania Trump hat es geschafft. Sie ist die First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika und damit die mächtigste Slowenin der Welt. Angefangen hat ihr Weg in einem kleinen, unscheinbaren Ort im Südosten Sloweniens. Eine Spurensuche.

    Sevnica – ein kleines Kaff irgendwo in der ostslowenischen Einöde. 5000 Seelen leben in diesem Ort in der Region Posavska. Entsprechend wenig gibt es hier zu sehen: Einen Bahnhof, um schnellstmöglich wieder aus Sevnica wegzukommen, und ein paar Schulen und Läden für die, die in dieser Kleinstadt ausharren müssen. Aber auch die Umgebung von Sevnica strotzt nicht gerade vor Sehenswürdigkeiten: Im gut 20 Minuten entfernten Krško bietet sich immerhin ein Atomkraftwerk für einen Tagesausflug an.

    Wer konnte also ahnen, dass es eine durchschnittliche Ortsbewohnerin schaffen würde, dem verschlafenen Landkaff Sevnica wieder ein klein wenig Zeitgeist einzuhauchen? Was in Zeiten Jugoslawiens der hier angesiedelten Unterwäschefirma Lisca gelang, schafft nun Melania Trump: Sie beschert Sevnica goldene Zeiten. Melania selbst ist in dem kleinen Ort aufgewachsen, damals noch als Melanija Knavs, und besuchte hier acht Jahre lang die Grundschule. Schon während ihrer Schulzeit posierte Melania, dank des Einflusses ihrer Mutter, als Model vor der Kamera.

    Foto: Max Tenschert

    Raus aus Sevnica, rein in die Welt

    Da Sevnica dafür allerdings kaum Möglichkeiten bot, flüchtete Melania schnellstmöglichst nach der Grundschule in die Hauptstadt Ljubljana. Nachdem sie dort ihre ersten Aufträge bekommen hatte, lernte Melania den einflussreichen Agenten Paolo Zampolli kennen. Dieser brachte sie nach New York und sorgte für ihren Durchbruch. Hier traf sie wenig später den Milliardär und Unternehmer Donald Trump. Es war Liebe auf den ersten Blick, heißt es. Obwohl er auf der Feier von einer Kosmetikerin begleitet wurde, gab Donald Melania seine Nummer. Zwei Wochen später wurden sie ein Paar. Es dauerte nicht lange, bis Melania “Ja” sagte – erst zu einer Reihe an Schönheits-OPs für ihre Karriere und später zur Ehe mit Donald. Schließlich schafften es die Trumps, aus ihrem finanziellen und geistigen Kapital eine US-Präsidentschaft zu machen. Melania steht seitdem als First Lady an der Spitze der USA und ist damit vermutlich die mächtigste Slowenin der Welt.

    Viele Trump-Fans erfuhren durch Melania von der Existenz Sloweniens und interessierten sich für die Herkunft der exotischen Dame an der Spitze ihres Landes. Melanias Heimatstadt Sevnica entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Hotspot für amerikanische Touristen. In Scharen flogen sie über den großen Teich, um zu sehen, wo Melania aufgewachsen ist. Die Stadt Sevnica freut sich: Einerseits über die Vielzahl an neuen Gästen, andererseits über die Tourismuseinnahmen. Diese haben sich nach Melanias Aufstieg zur First Lady verdoppelt. Melania wird in Sevnica seitdem als Heldin gefeiert – mit eigenem Melania-Kuchen, Melania-Wein und einer eigens angefertigten Melania-Statue.

    Foto: Max Tenschert

    Back to her roots

    Inspiriert von den amerikanischen Pilgern begebe auch ich mich auf den Melaniaweg. Ich bin nicht der erste. Englischsprachige Medien wie der Guardian, die New York Times, VICE und der New Yorker waren schon vorher da. Nach der Abfahrt von der Autobahn bei Celje führt erstmal kein Schild Richtung Sevnica. Ich vertraue dennoch auf meine Navigation eines amerikanischen Technologiekonzerns, irgendeiner von den Ami-Touris wird denen schon die Existenz von Sevnica bestätigt haben, und folge weiter der Landstraße durch die Einöde. Eine gute halbe Stunde vor der Planankunft laut Navi lese ich endlich das erste Mal “Sevnica” auf einem Wegweiser. Zu allem Überfluss schaltet mein Autoradio auf einen lokalen Radiosender um, es läuft ein Mix aus slowenischen Oktoberfestliedern und erfolglosen Eurovision-Partysongs. Nach gefühlten fünf Mal slowenisches “Fliegerlied” endlich die Erlösung: das Ortsschild von Sevnica. Anders als in meiner Vorstellung – ein großes Leuchtschild mit dem Titel “Melaniopolis” und ganz viel Bling-Bling – ist es leider nur ein stinknormales, für Slowenien übliches gelbes Schild. 

    Ich folge dem Wegweiser Richtung “Informacije” – irgendwer wird mir da schon ein paar Tipps geben können. Innerhalb des Ortes reihen sich wider Erwarten keine Melania-Fanshops aneinander, sondern lediglich unspektakuläre Wohn- und Bürogebäude. Nach gut zehn Minuten verläuft sich meine “Informacije”-Spur, ich befinde mich stattdessen am Bahnhof von Sevnica. Hier sollten eigentlich sämtliche Touristenscharen aus Amerika ankommen und in große Doppeldeckerbusse für die Stadtrundfahrt durch Sevnica einsteigen, aber Fehlanzeige. Ich finde nur ein paar Ortsbewohner, die genüsslich an ihren Zigaretten ziehen und sich auf Slowenisch unterhalten. 

    Nebenan sehe ich das Hotel Ajdovec, das einzige seiner Art in Sevnica. Es wurde für die erhofften Touristenmassen frisch renoviert. In der Lobby des Hotels herrscht allerdings gähnende Leere. Ein einziger Gast sitzt an der Bar, trinkt sein Feierabendbier und schüttet dem Angestellten hinter der Bar sein Herz aus. Dieser ergreift, als er mich bemerkt, sofort die Flucht vor seinem melancholischen Gast. „Wie kann ich Ihnen helfen?” Ich erzähle ihm von meiner Melania-Pilgerreise und wundere mich ihm gegenüber, warum das Hotel nicht voller Touristen aus Amerika ist. Er erklärt mir, dass „der große Ansturm schon vorbei sei und die Touristen nur mehr individuell kommen”. Der Hotelangestellte lebt selbst noch nicht lange in Sevnica und bringt mich für meine gewünschten “Informacije” zu einer langjährigen Einwohnerin der Stadt, die im örtlichen Jugendcenter arbeitet.

    In First Lady veritas

    Hier angekommen, stellt er mich auf Slowenisch meiner potenziellen Informantin vor. Sie spricht Englisch mit mir, allerdings sehr gebrochen und mit einem starken slowenischen Akzent. Wir gehen erstmal eine Tür weiter ins Tourismusbüro. Als wären wir hier in einem Duty free-Shop, zeigt sie auf ein Regal mit allerlei Zeugs: Bücher, Wein, Schokolade, aber auch Tee und Kosmetika – vieles davon unter dem Namen “First Lady”. Laut meiner Informantin ist das reines Marketing vom Tourismusverband: „Mit dem Namen soll einerseits das Image der Region gestärkt werden. Andererseits soll er auch zeigen, wie stolz wir auf Melania sind.” Klingt wie beim Teleshopping. Das ist dann sofort auch wieder an den Preisen zu sehen: Eine Flasche blaufränkischer Melania-Wein kostet knapp 24 Euro. Ich lehne dankend ab.

    Foto: Max Tenschert

    Stattdessen versuche ich, das Gespräch wieder in Richtung Melania zu lenken. In so einer kleinen Stadt sollte doch jeder jeden kennen. In der Tat:  Volltreffer! Der kleine Bruder meiner Informantin ist mit Melania in die Grundschule gegangen. „Als sie noch ein Kind war, habe ich sie ganz oft gesehen. Melania war damals schon sehr hübsch und immer gut angezogen, weil ihre Mutter Schneiderin war.“ Beim Stichwort Eltern berichtet sie mir, dass Melanias Eltern noch ein Haus in Sevnica haben. „Sie sind alle zwei Monate hier, auch jetzt gerade”, erzählt mir die Dame aus dem Jugendtreff, „ansonsten leben sie in New York, in der Wohnung ein Stockwerk über ihrer Tochter.” Für einen kurzen Moment möchte ich mich schon ganz dreist zum Nachmittagskaffee bei Melanias Eltern einladen, natürlich mit dem als Spezialität angepriesenen Melania-Kuchen im Gepäck. Aber ich trau mich nicht.

    Die Touri-Tour durch Sevnica

    Abschließend bitte ich meine Informantin noch um eine kurze Tour durch Sevnica, zu den Orten, an denen ich Spuren von Melania finden könnte. Mit dieser Tour sind wir schnell durch. Die Dame verlässt den Souvenirshop und zeigt mir ein buntes Gebäude: „Das ist die Osnovna šola Sava Kladnika – die Grundschule, auf die Melania gegangen ist.“ Keine überteuerte Doppeldecker-Bustour durch Sevnica, ich muss einfach nur auf die andere Straßenseite gehen. Bei der Schule handelt es sich um eine gewöhnliche Kleinstadt-Grundschule, mit ein paar selbst gebastelten Dekorationen in den Fenstern. Kein Melania-Gedächtnisschrein, kein Gemälde. Nur ein paar Schüler, die auf ihre Eltern warten.

    Foto: Max Tenschert

    Viel interessanter, vor allem für mich als Feinschmecker, ist das Gebäude gleich daneben: die Bäckerei Kruhek. Flaggschiff und Verkaufsschlager der Bäckerei sind die “First-Lady-Cakes”, die mit der slowenischen Küche an sich rein gar nichts zu tun haben. Die kleinen Apfelkuchen sind mit einem „M“ aus Puderzucker verziert und werden mit einer USA-Flagge versehen, die die Aufschrift “Prva dama” – zu Englisch “First Lady” – trägt. Die junge Verkäuferin in der Bäckerei erkennt mein Interesse an dem Kuchen und erzählt mir, wie stolz die Bewohner auf “ihre” First Lady sind: „Jeder kennt sie, das schafft sonst keiner aus Sevnica.“ Ich gönne mir ein Stück Melania-Apple-Pie um zwei Euro. Schmeckt wie das Original in Amerika.

    Gut gestärkt geht es dann zum Höhepunkt meiner kleinen Pilgerreise: die Melania-Skulptur, erbaut vom Hobbytischler Aleš “Maxi” Župevc. Er und Melania wurden im selben Jahr und auch im selben Krankenhaus geboren. Als Vorlage für die aus Lindenholz gebaute Skulptur verwendete Župevc ein ausgedrucktes Foto von Melania, das während der Amtseinführung ihres Mannes Donald Trump im Jahr  2017 entstanden ist. Die Melania-Skulptur steht nicht direkt in Sevnica, sondern in Rožno – gut zehn Kilometer entfernt nahe der Stadt Krško.

    Nach einer guten Viertelstunde Autofahrt über gefühlt 50 Bahnübergänge habe ich mein Ziel erreicht. Weit und breit ist aber keine Melania-Statue zu sehen. Erst als ich mich umdrehe, bemerke ich einen provisorischen Wegweiser: Es ist ein laminierter Papierzettel, der an einer Eisenstange klebt. Auf dem Zettel führt ein Pfeil nach links, mit dem Hinweis “MELANIA”. Nach gut 500 Metern Fußweg erreiche ich sie endlich: Melania Trump. Sie steht im Nirgendwo, inmitten einer gemähten Wiese am Ufer der Save. Ihr Gesicht zeigt in Richtung Sevnica, mit der Hand salutiert sie. Anders als in Mekka finde ich hier keine anderen Pilger oder gar normale Touristen, nicht mal Bewohner von Sevnica trauen sich zur Statue, die im Ort den Spitznamen “Schlumpfine” trägt. Liegt vermutlich aber an der Skulptur, die mit ihrem Aussehen durchaus das Potenzial zur Menschenscheuche hat. Wenig Wunder, dass Melania seit ihrem Aufstieg zur First Lady nicht mehr in ihrer Heimat gesichtet wurde.

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